Mi
15
Jun
2011
SCHWARZ-GELBE MOGELPACKUNG:
Laufzeitverlängerung statt Atomausstieg
Vor wenigen Wochen wollte die Bundesregierung noch alle neun verbleibenden AKWs bis 2021/2022 in Betrieb lassen. Doch es hagelte Kritik von allen Seiten – und Kanzlerin Merkel musste nachbessern.
Leider blieb es bei einer oberflächliche Korrektur: nach Merkels Plänen soll das erste AKW 2015 abgeschaltet werden. Der Großteil bleibt jedoch bis 2021/2022 am Netz.
Die Forderung der Anti-Atom-Bewegung nach einem schnellen Ausstieg bis 2015 ignoriert die Regierung weiter. Über die Hälfte der Bundesbürger/innen unterstützt hingegen einen raschen Ausstieg
innerhalb der nächsten fünf Jahre (Forsa-Umfrage im Auftrag des stern) Gegen den schwarz-gelben Ausstieg im Schneckentempo machen wir weiter mobil!
Acht Reaktoren gehen vom Netz – Neun bleiben zu lange dran
Die Menschen in der Nähe der sieben ältesten Reaktoren und des AKW Krümmel haben wirklich Grund zu feiern: Die Schrottreaktoren sollen für immer abgeschaltet bleiben. Endlich! Das ist ein großer
Erfolg für die Anti-Atom-Bewegung, den vor wenigen Monaten wohl nur wenige für möglich gehalten hätten. Allerdings gibt es hier ein Hintertürchen: Einer der Reaktoren soll nicht endgültig
stillgelegt werden, sondern bis 2013 in die sogenannte Kraftwerks-Kaltreserve übernomen werden – ein Vorschlag, der schon rein technisch überhaupt keinen Sinn ergibt, wie Reaktorexperten
sagen.
Für die Menschen in der Nähe der restlichen neun Atommeiler sieht die Sache anders aus: Sie müssen weiterhin mit dem Risiko einer Atomkatastrophe leben. Nach der Stilllegung der acht Altreaktoren
will Schwarz-Gelb vier Jahre Pause beim Atomausstieg machen. Dann folgt je ein AKW alle zwei Jahre und 2021/2022 sollen geballt sechs Reaktoren vom Netz gehen. Alle Reaktoren würden damit später
abgeschaltet, als es ursprünglich im rot-grünen Atomkonsens vorgesehen war:
- Grafenrheinfeld, Bayern: 2015 (2014 nach rot-grünem Atomausstieg)
- Gundremmingen B, Bayern: 2017 (2016 nach rot-grünem Atomausstieg)
- Philippsburg 2, Baden-Württemberg: 2019 (2017 nach rot-grünen Atomausstieg )
- Grohnde, Niedersachsen: 2021 (2017 nach rot-grünem Atomausstieg)
- Brokdorf, Schleswig-Holstein: 2021 (2018 nach rot-grünem Atomausstieg)
- Gundremmingen C, Bayern: 2021 (2016 nach rot-grünem Atomausstieg)
- Isar 2, Bayern: 2022 (2020 nach rot-grünem Atomausstieg)
- Neckarwestheim, Baden-Württemberg: 2022 (2021 nach rot-grünem Atomausstieg)
- Emsland, Niedersachsen: 2022 (2020 nach rot-grünem Atomausstieg)
Ausstieg bis 2015
Vom “schnellst-möglichen Atomausstieg”, den die Kanzlerin nach Fukushima versprochen hatte, ist der schwarz-gelbe Atombeschluss weit entfernt. Mehrere Experten-Gutachten zeigen, dass ein Ausstieg schon bis 2015 möglich wäre, ohne dass wir neue, klimaschädliche Kohlekraftwerke bauen müssen. Selbst Regierungsberater halten einen Atomaustieg bis 2015 für machbar. Doch die Regierung will durchsetzen, dass Atomkraftwerke noch bis 2022 laufen. Jeder dieser Reaktoren ist eine tickende Zeitbombe, die jederzeit hochgehen oder Ziel eines Terroranschlages werden kann. Abermals wird die Sicherheit der Bevölkerung Konzernprofiten geopfert.
Die nächsten vier Jahre lang soll Stillstand beim Atomausstieg herrschen, danach wird alle zwei Jahre bloß ein einziges AKW stillgelegt. Der Großteil der AKWs bleibt bis 2021/2022 am Netz.
Solange verstopfen die Atomkraftwerke mit ihrer unflexiblen Stromerzeugung die Stromnetze und verhindern so den Aufbau von alternativen Kraftwerkskapazitäten. Der schwarz-gelbe Beschluss ist
“energiewirtschaftlich unsinnig, da sie einen kontinuierlichen Umbau der Energieversorgung erschwert, statt ihn zu befördern”, analysiert die Deutsche Umwelthilfe. Es wäre viel einfacher, ab
jetzt jedes Jahr zwei Atomkraftwerke abzuschalten und zu ersetzen. Verschiebt man jetzt das Abschalten auf die nächsten Legislaturperioden, ist das zudem eine Einladung an die Atomkonzerne, die
Energiewende zu sabotieren und dann erneut eine Debatte über Laufzeitverlängerungen zu beginnen.
Am 30. Juni geht das Gesetzespaket zum Atomausstieg in die letzte Lesung im Bundestag. Am 8. Juli soll es dann den Bundesrat passieren, um rasch in Kraft treten zu können. Wir fordern von
Regierung und Opposition, beim Atomausstieg kräftig nachzubessern. Auch wenn jetzt acht AKWs abgeschaltet sind, es bleiben noch neun tickende Zeitbomben. Ein herausgeschobener Ausstieg auf dem
Papier entschärft sie nicht. Erst ihr endgültiges Herunterfahren gibt uns Gewissheit – und Sicherheit.
Wenn den Atomkraftgegnern nun vorgehalten wird, sie könnten doch zufrieden sein, da es in Teilen ein Zurück zum alten rot-grünen atompolitischen Fahrplan gibt, dem halten wir entgegen: Die
rot-grüne Atompolitik hat ja gerade nicht zur Stilllegung einer wesentlichen Zahl von Atomkraftwerken geführt, hat Strommengen-Tricks der AKW-Betreiber begünstigt und endete mit einer
Laufzeitverlängerung. Ähnliche Fallstricke lauern auch im schwarz-gelben Konzept. Es zählen nur stillgelegte Atomkraftwerke, nicht die Ankündigung von Abschalt-Terminen, von denen heute niemand
sagen kann, ob sie auch eingehalten werden. Deshalb wird die Anti-Atom-Bewegung das Aus von sieben bis acht Meilern feiern und gegen den Weiterbetrieb der neun anderen AKW weiter auf die Straße
gehen.
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