Mi
09
Mär
2011
Schulentwicklungsplan lückenhaft und untauglich!
Stellungnahme zur Projektarbeit zum Schulentwicklungsplan der FHÖV
Vorwort:
Das Thema Schule und Bildungspolitik ist einer der wichtigsten Zukunftsfragen in unserer Gesellschaft und in unserer Stadt. Die Fraktion DIE LINKE./BfBB begrüßt es, dass sich der Stadtrat mit der
Schullandschaft in Bergisch Gladbach befasst. Die von Studentinnen und Studenten vorgelegte Projektarbeit aus der Fachhochschule für die öffentliche Verwaltung in Köln ist eine erste Diskussionsgrundlage für die Entscheidung und die Entwicklung eines
Schulentwicklungsplans. Die Studentinnen und Studenten haben im Rahmen ihrer Ausbildung einige wertvolle Aspekte aufgezeigt, die für die Entscheidung von Nutzen sind.
Nun ist es die Aufgabe der Kommunalpolitiker die Aussagen der Projektarbeit anhand ihrer Erfahrungen vor Ort zu überprüfen. Sicher werden noch weitere Stellungnahmen, Zielsetzungen und natürlich
auch sogenannte Sachzwänge auf dem Weg zu eine richtigen Schulentwicklungsplan, der alle lokalen Anforderungen erfüllt, folgen.
Leider ist die Projektarbeit der Studentinnen und Studenten in einer Zeit der Öffentlichkeit vorgestellt worden, der zu erheblicher Unruhe bei den Eltern
geführt hat. Gerade zu dieser Zeit standen viele Eltern vor der Frage, auf einer weiterführenden Schule sie ihre Kindern anmelden wollen. Die Sondersitzung des Schulausschuss war überflüssig und
Fraktion DIE LINKE./BfBB hat kein Verständnis dafür, dass die sogenannten drei Lösungsansätze von der Verwaltung unkommentiert geblieben sind. Damit kann man Schulen auch
„kaputtreden“.
Die hier vorgelegte Stellungnahme enthält keine Entscheidung über den noch zu erstellenden Schulentwicklungsplan. Die Fraktion DIE LINKE./BfBB wünscht sich einen ergebnisoffenen und
undogmatischen Diskurs zu dieser Frage. Die folgende Kritik ist ein Beitrag für die weitere sachliche Diskussion um die Zukunft der Schulen in Bergisch Gladbach. >weiterlesen
1. Falsche Annahmen bei der demographischen Entwicklung.
Die von der Verwaltung angenommen demographische Entwicklung in Bergisch Gladbach sind falsch, denn sie verwendet Prognosen, die längst überholt sind. So sind alle Bevölkerungsprognosen für die
letzten 5 Jahre nicht eingetroffen und alle Prognosen wurden nachweislich bis 2010 durch die tatsächlichen Einwohnerzahlen und höhere Zuzugszahlen widerlegt. Tatsächlich können wir von einer
weiteren Landflucht ausgehen, welche die großen Städte und deren "Speckgürtel" (wie Bergisch Gladbach oder Rösrath) deutlich begünstigen wird. Neue Maßnahmen zur Stadtentwicklung und die gezielte
Ausweisung von Bauland werden mehr Menschen nach Bergisch Gladbach ziehen, so dass man von einer Stagnation der Einwohnerzahlen und dann auch der Schülerzahlen ausgehen
kann. Zumindest wird der Rückgang der Schülerzahlen wohl weniger stark als angenommen.
2. Folgen der Inklusion werden nicht ausreichend berücksichtigt .
Die gesetzlich verpflichtende Inklusion von Menschen mit Behinderung wird dazu führen, dass die Förderschulen schrumpfen und diese Schüler in das Regelschulsystem wandern werden. Dieses wird ganz
besonders die Hauptschulen und Gesamtschulen stärken. Die Förderschüler wurden in der Projektarbeit der FHÖV nicht angemessen berücksichtigt. So wurden Förderschüler einfach über alle Schulformen
verteilt. Tatsächlich wird es aber nicht zu einer gleichmäßigen Verteilung kommen, sondern zu einer Konzentration an Haupt- und Gesamtschulen. So haben die Hauptschulen in der Stadt schon
heute eine hohe Nachfrage von Förderschülern, die sie nicht mehr ablehnen dürfen.
3. Schulwechsler werden nicht berücksichtigt.
Die Zahl der Wechsler von Realschulen in die Hauptschulen in der 7ten und 8ten Klasse wird in der Projektarbeit nicht berücksichtigt. Diese liegt aber zwischen 10 und 20 Prozent und manche
Hauptschule muss in diesen Jahrgängen neue zusätzliche Klassenverbände bilden. Auch dieses wurde in der Projektarbeit nicht betrachtet.
4. Auswirkungen nach Abschaffung der verbindlichen Schulempfehlungen fehlen.
Bei der Prognose wurde nicht die negativen Entwicklungen des Elternwillens berücksichtig, die sich gerade im letzten Jahrzehnt verstärkt haben. So gibt es Trends bei den Schülerzahlen an
Hauptschulen und neue Wünsche, die sich in der Elternbefragung andeuten. Bei der Schülerprognose wird aber nur von einem linearen Trendwert ausgegangen. Zusätzliche qualitative Kriterien zu den
einzelnen Schulen und Schultypen spielen bei der Prognose keine Rolle. Die Auswirkungen des Wegfalls der verbindlichen Schulempfehlungen werden zu einer weiteren Verschiebung der
Anmeldezahlen insbesondere zur Gesamtschule führen. Hierzu kann man in diesem Jahr erste Erfahrungen sammeln.
5. Landespolitische Entwicklung bei der Klassenfrequenzen wird ausgeblendet.
Die Landesregierung NRW hat die Absicht die Klassenfrequenzen zu senken. Damit können zukünftig kleinere Klassen mit geringer Stärke gebildet werden, welche dann die Zweizügigkeit der bestehenden
Schulen absichern könnte. Die Verkleinerung der Klassenstärke ist pädagogisch sinnvoll und würde gerade den benachteiligten Schulen helfen, mehr Schüler zur Ausbildungsreife zu bringen.
6. Die Elternbefragung ist falsch angelegt.
Die vorgelegten Befragungen der Eltern und ihrer Wünsche wurde an Eltern durchgeführt, die ihre Kinder in die erste Klasse einschulen wollten, also noch nicht mal in einer Grundschule waren. In
der Projektarbeit der FHÖV heißt es auf Seite 162 unter dem Punkt 2.3.1.1. "Auswahl der Befragten": Es wurden Eltern in Grundschulen interviewt wurden, "die dort wegen der Anmeldung zur
Einschulung ihrer Kinder vorsprachen". Also Eltern, die noch vor der Einschulung der Kinder ins erste Schuljahr der Grundschule standen. Zu diesem Zeitpunkt wissen die Eltern noch nicht, wohin
die Reise geht. Natürlich wollen und wünschen alle Eltern nur das Beste für ihre Kinder, doch die tatsächliche Eignung der Kinder kann man aber in der ersten Klasse noch nicht
feststellen. Notwendig wäre mindestens eine Befragung der Eltern mit Kindern im vierten Schuljahr gewesen. Das hätte sicher ganz andere Ergebnisse erzielt, denn dann stehen die Eltern vor einer
Entscheidung und haben sich wirklich Gedanken gemacht. Außerdem haben die Eltern dann auch mehr Erfahrungen mit den Lernfortschritten, der Begabung ihrer Kinder, die dann auch in die
Schulempfehlung der Lehrer einfließt, die den meist schon informell im Dezember mitgeteilt wird. Diese Ergebnisse sind mit einer Wahlumfrage vergleichbar, die unter
Erstwählern vier Jahre vor ihrer ersten Wahlentscheidung durchgeführt wird. Niemand würde eine solche Umfrage für die tatsächliche Wahlentscheidung der Erstwähler vier Jahre später wirklich ernst
nehmen.
Wenn man diese Elternbefragung als tatsächliche Grundlage nehmen will, müssten man alle Schulen außer der Gymnasien und der Gesamtschule schließen, denn sie werden von den Eltern in der
Projektarbeit nicht gewünscht. Anscheinend gäbe es dann keinen relevanten Bedarf für Haupt- und Realschulen und wir könnten eine „Einheitsschule“ für Alle einrichten. Diese Konsequenz ist aber
von einer Mehrheit im Stadtrat politisch nicht gewünscht. Die tatsächlichen Anmeldezahlen sehen anders aus. Es gibt einen Bedarf für andere Schulformen. Diese stehen im deutlichen
Widerspruch zur Befragung und zeigt, wie realitätsfern diese ist. Die Nachfrage nach Gesamtschulplätzen bleibt ungebrochen und auch dieses Jahr wurden wieder sehr viele Schüler
dort abgewiesen werden. Schon heute könnte man an der Gesamtschule Paffrath (IGP) 10 Züge einrichten. Dies ist nicht möglich, da nur 6 Züge gesetzlich erlaubt sind. Wenn man eine zweite
Gesamtschule an einem anderen Standort in der Stadt errichten würde, würden sich die Schülerzahlen verteilen und die Vierzügigkeit wäre langfristig sichergestellt. Diese Zahl der
Anmeldungen an der IGP wäre noch deutlich höher, wenn man die interessierten Eltern nicht offensiv abwimmeln würde. Tatsächlich werden die Eltern schon durch die Aussage verschreckt, dass viele
Schüler abgelehnt werden. Auch der weite Schulweg nach Paffrath schreckt Eltern ab.
Der Antrag der LINKEN./BfBB eine solche Befragung bei Eltern von Kindern der 4. Klasse in diesem Winter durchzuführen wurden von der CDU-FDP Mehrheit im Schulausschuss abgelehnt. CDU und FDP
möchten die den hohen Bedarf an Gesamtschulen lieber nicht feststellen, sondern wollen diesen Elternwillen auch weiterhin ignorieren. Diese Ergebnisse einer Befragung zur Gesamtschule wären
hilfreich und hätten ein genaues und sachliches Bild gezeichnet. Die verwendete Methode der Befragung in der Projektarbeit der FHÖV lässt daher vermuten, dass das Ergebnis so
bestellt wurde. In der empirischen Wissenschaft nennt man dies auch „self fulling prophecy“.
Am Ende bleibt, dass die nun vorliegenden Zahlen eine durchaus interessante Diskussionsgrundlage darstellen, aber einer genaueren Überprüfung im Realitätscheck nicht wirklich standhalten.
7. Raumprognose beruht auf falschen Zahlen und ist schon heute falsch.
Die Raumprognose beruht auf völlig falschen Annahmen und Zahlen. So wird beispielsweise in der Projektarbeit angenommen, dass die GHS Kleefeld heute schon vier Räume zu viel hätte. Tatsächlich
aber hat die GHS massiven Raummangel und weiß nicht wohin mit den Schülerinnen und Schülern. Dort findet der Förderunterricht in einem ehemaligen Labor ohne Fenster auf weniger als 15qm statt.
Das ist unerträglich. Die Schulleitung des Nicolaus-Cusanus-Gymnasium macht in seiner Einschätzung zur Raumprognose vom 24.2.2010 deutlich, dass die Annahmen für das
Nicolaus-Cusanus-Gymnasium nicht zutreffen.
8. Bedarf an Fachräume wird nicht berücksichtigt.
Die Frage des Bedarfs an Fachräumen wird in der Projektarbeit nicht behandelt, spielt aber in der Schule eine wichtige Rolle. Verschiedene Schulformen benötigen unterschiedliche Fachräume. Schon
heute sind einige Schulen mit zu wenigen Fachräumen ausgestattet.
9. Die Expertenbefragung zeigt nur Splitter und Einzelmeinungen.
Bei der geringen Zahl der befragten Schulleiter als Experten kann man nicht von einer repräsentativen Ergebnis ausgehen. Die Aussagen sind interessant, aber wenig aussagekräftig. Auch wurden
die Experten nicht umfassend über die tatsächliche Situation am Standort befragt. Fragen zur tatsächlichen Raumsituation oder Schulführungen waren kein Bestandteil der Interviews.
10. Unzureichende Lösungsansätze und Alternativen
Die Projektarbeit stellt lediglich drei Lösungsalternativen dar. Dies sind zu wenig und es gibt einige weitere Ansätze, die auch schon öffentlich diskutiert werden, wie z.b. Zusammenlegungen der
Schulen an den Standorten Kleefeld und Ahornweg zu zwei Gemeinschaftsschulen oder die Errichtung einer zweiten Gesamtschule. Die Studierenden selbst haben in der Präsentation zwei Problemfelder
angesprochen, die nicht behandelt wurden: Herkenrath und Saaler Mühle. Auch sprechen sie ausdrücklich von einer „nicht optimalen“ Schullandschaft in Bergisch Gladbach, die grundsätzlich
diskutieren werden sollte, statt sich in der Diskussion auf einzelne Standorte zu fixieren. Da der Standort Ahornweg durch PPP „teilprivatisiert“ wurde, ist die Stadt dort lange
Zeit vertraglich gebunden, diesen Standort zu erhalten oder zumindest dafür zu zahlen. Dieses muss bei den Lösungsansätzen Berücksichtigung finden.
Fazit:
Insgesamt ist die Projektarbeit der Studierenden eine interessante Betrachtung der Situation, doch es gibt zu viele Defizite und lückenhafte Sachkenntnisse der Situation und der Zusammenhänge vor
Ort. In der Präsentation und in der vorgelegten Untersuchung wurden von den Verfassern selbst deutlich gemacht, dass die Arbeit in nur wenigen Wochen zusammengetragen wurde und das viele Punkte
nur unzureichend behandelt und untersucht wurden. Die Selbstkritik an der Methodik muss ernst genommen werden. Darüber hinaus erweckt die Untersuchung den Eindruck, dass bestimmte
Aspekte gezielt nicht benannt oder untersucht werden sollten. Sie ist daher als Entscheidungsgrundlage untauglich. Die Daten müssen durch weitere genauere Prognosen,
Befragungen, Untersuchungen und Erfahrungen zur tatsächlichen Situation ergänzt werden.
Bergisch Gladbach, 8. März 2011
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