Do

10

Feb

2011

Altbürgermeister Holger Pfleger kritisiert Pflasterungspläne für die Fußgängerzone Bergisch Gladbach

Im folgenden dokumentieren wir einen Brief des ehemaligen Bürgermeister Holger Pfleger an den jetzigen Bürgermeister Lutz Urbach zum Thema Pflasterung und Umgestaltung der Fußgängerzone.

 

Holger Pfleger ist Beratender Dipl-Ingenieur für Bauwesen, Mitglied der Ingenieurkammer Bau NRW und vorı der IHK zu Köln öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Schäden an Gebäuden.


Der Brief:"

 

Umgestaltung der Hauptstraße - „Pflastergutachten“ -

 

Sehr geehrter Herr Bürgermeister!

 

Da sie vor einigen Tagen von der vereinigten Narrenwelt dieser Stadt abgesetzt wurden, worum Sie mit einer närrischerı Rede ja geradezu gebettelt hatten, gehe ich davon aus, dass Sie nun etwas mehr Zeit als üblich haben und sich noch einmal einem kostspieligen Problem der Stadt widmen können, das von Seiten von Rat und Verwaltung offensichtlich bereits abgehakt worden ist.
Ich komme also zurück auf das Thema Erneuerung des Pflasters der Fußgängerzone und möchte Sie bitten, die Geldverschwendung, die hier programmiert ist, noch zu stoppen.
Ich mache aus meiner Abneigung gegen das ganze Regionalekonzept kein Hehl. Hier werden jetzt für Projekte, die man sich für die Regionale erst ausdenken musste, unsere Städtebauförderungsmittel verbraten, und es gibt dann höchstwahrscheinlich in den nächsten 10 Jahren keine Chance, noch einmal Stådtebauförderungsmittel zu erhalten.
Und während Geld in Millionenhöhe ausgegeben werden soll für Luxusprojekte, ohne die die Stadt sehr gut leben könnte, wie die Zerstörung/ Erneuerung der Fußgängerzone oder die Offenlegung der Strunde, geraten wir mit der Unterhaltung der städtischen Gebäude immer weiter in Rückstand, müssen Eltern für den Besuch ihrer zwei Kinder im Kindergarten 1.000,- € im Monat bezahlen und sehen wir uns nicht einmal in der Lage, unsere Straßen so zu unterhalten, dass sie gefahrlos befahren werden können.
Von der Streichung bzw. Verschiebung auf den St.-Nimmerleins-Tag sinnvoller Zukunftsprojekte, wie dem Beleuchtungskonzept oder der energetischen Aufrüstung der städtischen Liegenschaften, gar nicht zu reden. Bei einem Gespräch mit Frau Müller-Veith vor einigen Monaten erfuhr ich, dass die Verwaltung ein Gutachten in Auftrag gegeben hat, das den Zustand des Pflasters analysieren sollte. Das Ergebnis des Gutachtens wurde vor geraumer Zeit bereits in der Ortspresse als der endgültige Beweis dafür gefeiert, dass das gesamte Pflaster nichts taugt und deshalb herausgerissen werden muss. >weiterlesen>

 

Dieses „Gutachten“ liegt mir nun vor.
Ich stelle zunächst fest, dass der Sachverständige Dipl.-Ing. (FH) Wulf Schneider aus Tier das „Gutachten“ als Stellungnahme - Umgestaltung der Hauptstraße ~ bezeichnet. Dementsprechend befassen sich von den 41 Seiten des Gutachtens lediglich 8 mit der jetzigen Situation, wobei hierunter auch noch einige allgemeine Ausführungen und ein paar Fotos fallen.
Zunächst verbreitet sich der Sachverständige in seiner Einleitung über die Grundlagen, bzw. das, was er dafür hält. Dabei reitet er eine scharfe Attacke allgemeiner Art gegen das in den 80er Jahren aus der Provinz Trient gelieferte Pflastermaterial aus Porphyr. Das meiste, was damals geliefert worden wäre, hätte weder hinsichtlich der Maße, noch der Form nicht oder nur teilweise der Norm für Pflastersteine entsprochen. Auch die Qualität sei schlecht gewesen. „Der Gedanke, Steine einer bestimmten Güteklasse zu bekommen, war völlig abwegig, versprochen wurde viel, gehalten wenig.“ (Zitat)
Ob das Material, das in Bergisch Gladbach verbaut wurde, nun tatsächlich die unterstellte schlechte Qualität hat, wird weder anhand der Lieferscheine, noch irgendeiner anderen Unterlage nachgewiesen. Es handelt sich also um eine Behauptung des Sachverständigen, die u.U. in manchen Fällen zutreffend sein mag. Ob sie auch für Bergisch Gladbach gilt, bleibt offen, der Sachverständige äußert sich hierzu nicht.
Auch die Pflasterarbeiten seien schlecht gewesen, da sie „oft von angelernten Kolonnen aus dem damaligen Jugoslawien, Portugal oder Italien ausgeführt“ wurden, „mit dem schon bald erkennbaren Ergebnis“. Auch hier bleibt offen, ob das in Bergisch Gladbach so war, oder ob der Sachverständige hier aus seinem Erfahrungsschatz schöpft, dessen Stichhaltigkeit sich einer Überprüfung jedoch entzieht. Klar ist aber, dass der Sachverständige eine Abneigung gegen das „Kleinpflaster aus Porphyr in Schuppen und Segmentbögen“ hegt, das zur Zeit seiner Herstellung „in Mode“ gewesen sei.

Bereits nach diesen allgemeinen Einleitungen kommt der Sachverständigeb zu der Feststellung: „Derzeit muss der Mittelbereich der Pflasterdecke als nicht in einem verkehrssicheren Zustand bezeichnet werden.“ Einen Beweis für diese kühne These bleibt er schuldig.
Wäre der Belag in der Tat nicht verkehrssicher, müsste die Fußgängerzone sofort gesperrt werden. Da das nicht der Fall ist und ja Wohl auch nicht be absichtigt wird, macht uns dieser Satz nur klar, dass der Sachverständige von Anfang an darauf aus war, den Nachweis zu führen, dass das Pflaster komplett erneuert werden müsste, und sei es durch reine Behauptung. Gutachten ist anders!
Nach dieser vorweggenommenen Schlussfolgerung, die ja eigentlich erst am Ende einer Untersuchung stehen dürfte, beschreibt der Sachverständige seine örtlichen Feststellungen.
Das Pflaster wurde von ihm an 6 verschiedenen Stellen, die im Gutachten angegeben sind, geöffnet. Keine einzige dieser Prüfstellen wurde fotografisch dokumentiert oder zumindest beschrieben.
Es wäre wichtig zu wissen, ob sich die Prüfstellen jeweils in besonders vorgeschädigten Bereichen befinden oder ob es sich um relativ gut erhaltene Flächen handelt. Gab es in den Prüfstellen schon Ausflickungen mit Bitumen oder waren sie noch vollständig intakt? Ohne eine solche Dokumentation der örtlichen Feststellungen ist das Ergebnis, wie Sie im Folgenden feststellen werden, völlig wertlos.
Die Auswertung der Prüföffnungen wird ebenfalls nicht dokumentiert. Es wird auch nicht klar, ob überhaupt eine solche Auswertung stattgefunden hat. Sehr wahrscheinlich ist das nicht. Im Gutachten werden 8 Pflastersteine abgebildet, von denen 5 mangelhaft, d.h. nicht hoch genug sind. Es bleibt völlig offen, ob diese 8 Pflastersteine repräsentativ sind für das Pflaster, oder ob sie willkürlich unter dem Gesichtspunkt ausgewählt Wurden, einen möglichst hohen Mangelprozentsatz festzustellen.
Richtigerweise hätten die Pflastersteine an jeder Prüfstelle gezählt und entsprechend ausgewertet werden müssen, schließlich sind ja einige zehntausend Steine in der Fußgängerzone verbaut worden. Ein einigermaßen repräsentatives Ergebnis bezüglich der Mangelhaftigkeit der Steine muss sicherlich eine Stichprobe von ca. 500 Steinen umfassen, die an verschiedenen Stellen ausgebuddelt Wurden.
Bezüglich der Pflasterbettung stellt der Sachverständige dann fest, dass sich die Qualität „sehr unterschiedlich“ darstellt. Was bedeutet das? War die Qualität mangelhaft oder war sie gut bis befriedigend? Auch das ist schließ lich ein Unterschied. Schäden am Unterbau Wurden jedenfalls nicht festgestellt.

Aufgrund dieser mehr als mageren und keiner sachkundigen Prüfung standhaltenden Ausführungen kommt der Sachverständige zu dem Schluss, dass er seine ursprüngliche Beurteilung, dass mindestens 60 % der Steine wieder verwendbar seien, nicht aufrechterhalten kann. Ja, aber wie viel Prozent sind es denn tatsächlich, und worauf stützt sich dieses Urteil? Auf 5 von 8 Pflastersteinen?

Fazit:
Ich halte es für undenkbar, dass eine Millionenausgabe mit einer derart unzulänglichen Untersuchung begründet oder zumindest gestützt wird. Ganz davon abgesehen hat dieses angeblich völlig unzureichende Pflaster jetzt immerhin schon 30 Jahre seinen Dienst getan und könnte es noch viele Jahrzehnte tun, Würde es nicht durch eine unsachgemäße Pflege täglich mehr ruiniert.
Ich bin weiterhin der Meinung, dass wir alles daransetzen sollten, diese Fußgängerzone zu erhalten, die schließlich etwas Besonderes ist - ganz im Gegensatz zu der geplanten 08/ 15-Ausführung der Regionale. Würde das Pflaster repariert, was ja ohne weiteres möglich ist, uncl mit dem richtigen Fugenmaterial ausgefugt, so hätte die Stadt Bergisch Gladbach weiterhin ein Alleinstellungsrnerkmal, das ihre Innenstadt von sämtlichen Fußgängerzonen weit und breit abhebt. Unsere Partner aus der Partnerstadt Pless waren übrigens derart begeistert davon, dass sie ihre eigene Fußgängerzone in An lehnung an unsere Fußgängerzone gestalteten.
Ich bezweifle im übrigen ganz entschieden, dass ein Plattenbelag aus Grauwacke haltbarer ist als ein Pflaster aus Porphyr. Sedimentgesteine wie Grauwacke neigen zum Abschüsseln entsprechend ihrer Schichtenlage.
Meines Erachtens müsste für einen Schritt wie die Zerstörung der Fußgängerzone mit seinen enormen finanziellen Folgen wenigstens ein belastbares und nachvollziehbares Gutachten vorliegen. Die Stellungnahme des Sachverständigen Schneider ist kein solches Gutachten. Vielleicht käme ja ein richtiger Sachverständiger bzw. ein richtiges Gutachten zu einem ganz anderen Ergebnis als der offensichtlich voreingenommene - und u.U. überforderte - Sachverständige Schneider.

Mit freundlichem Gruß

Holger Pfleger

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Dieser Brief als Acrobat PDF hier zum download.

 


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